Stellungnahme zur Verfahrenseinstellung im Finanzstreit zwischen Bundesfinanzministerium und der Björn Steiger Stiftung

15. Dezember 2008

Die Björn Steiger Stiftung begrüßt den vor dem Finanzgericht Stuttgart am 05.12.2008 vollzogenen Vergleich. Dieser Vergleich stellt klar, dass:

  • die Gemeinnützigkeit der Björn Steiger Stiftung nicht gefährdet war;
  • die Steuerforderung des Bundesfinanzministeriums gegen die Björn Steiger Stiftung unberechtigt war;
  • dass die Björn Steiger Stiftung ihrerseits die Klage gegen das Bundesfinanzministerium zurückzieht.

Grundlage des Steuerstreits:

Im Jahr 2001 startete die Björn Steiger Stiftung nach fast einjähriger Planungs- und Prüfungsphase eine groß angelegte Kampagne gegen den plötzlichen Herztod. Am plötzlichen Herztod versterben jährlich in Deutschland rund 100.000  Menschen. Viele könnten gerettet werden, wenn die Bevölkerung für dieses Thema sensibilisiert und geschult würde. Und wenn darüber hinaus sogenannte Laien-Defibrillatoren (AED = Automatischer Externer Defibrillator) bei einem Notfall öffentlich und gut zugänglich wären. Diese AED-Geräte waren bis 2001 in Deutschland weitestgehend unbekannt und preislich nicht erschwinglich. Bis 2001 lagen die Preise pro Gerät zwischen 5.000 und 10.000 DM. Alle Hersteller zusammengenommen erzielten in den Jahren 1995 bis 2000 pro Jahr nicht mehr als 100 bis 150 Verkäufe.

Die Vertriebskosten waren entsprechend hoch und schlugen sich deshalb im Preis nieder. Die Stiftung bot jedem Hersteller an, im Rahmen ihrer Initiative „Kampf dem Herztod“, die AED-Geräte zu vertreiben: unter der Voraussetzung, dass die Stiftung mindestens 50 Prozent Preisnachlass bekommt und diesen Preisnachlass auch genauso an jeden Käufer weitergibt. Die Stiftung gab im Gegenzug eine Abnahmegarantie über 3.000 Geräte in drei Jahren. Das war das Zehnfache aller bisher pro Jahr verkauften Geräte. Diese Abnahmegarantie wurde mit einer Bankbürgschaft in Höhe von drei Millionen DM gegenüber den Herstellern untermauert.

Die Hersteller sorgten sich. Ihrer Meinung nach bestanden großen Risiken, dass

  • der angesprochene Rabatt unmittelbar und direkt an die Kunden weitergegeben würde;
  • die Björn Steiger Stiftung die aus Sicht der Hersteller utopischen Absatzzahlen nicht erreichen würde;
  • die Preisstruktur dadurch zerstört würde;
  • der klassische Vertrieb darunter leiden würden.

Dennoch willigten einige Hersteller ein. Die Stiftung verkaufte im Jahre 2001 bereits 3.000 AED-Geräte, in den Folgejahren 2002 bis 2004 jeweils 4.000 Geräte pro Jahr. Die Initiative „Kampf dem Herztod“ war bis dato ein voller Erfolg. Denn über den Verkauf der Geräte hinaus konnte die Stiftung in diesem Zeitraum gleichzeitig über 180.000 Menschen in Herz-Lungen-Wiederbelebung und Bedienung der AED-Geräte schulen.

Kern des Steuerstreits:

Bevor der Verkauf der AED-Geräte 2001 anlief, bat die Stiftung im Vorjahr 2000 das zuständige Finanzamt Waiblingen darum, zu prüfen und zu begutachten, in welcher rechtlichen und steuerrechtlichen Form die Stiftung diesen Verkauf tätigen könne, ohne ihre bestehende Gemeinnützigkeit zu gefährden. Aus dem Ergebnis dieser Prüfung erfolgte eine schriftliche Anweisung des Finanzamts Waiblingen am 22.02.2001: Die Björn Steiger Stiftung müsse diesen Verkauf zwingend in einem steuerlich privilegierten Zweckbetrieb abbilden. Darüber hinaus dürfe sie den Käufern der AED-Geräte lediglich den reduzierten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent berechnen. Die meisten Käufer von AED-Geräten waren und sind in großer Mehrheit Unternehmen, die diese Steuer, egal in welchem Steuersatz er erfolgt, absetzen können.

Um die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung abzusichern, bat die Stiftung in den Jahren 2002 bis 2005 das Finanzamt Waiblingen, jeweils eine außerordentliche Betriebsprüfung durchzuführen. Für die Jahre 2001 bis 2004 wurde in den schriftlichen Abschlussberichten der Betriebsprüfung jeweils betont, dass der Verkauf der AED-Geräte nur in diesem steuerlich privilegierten Zweckbetrieb mit einem Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent durchgeführt werden dürfe.

Aufgrund des Vertriebserfolgs der Björn Steiger Stiftung erfolgten, ohne Wissen der Stiftung, von Anfang 2003 bis März 2005 insgesamt 23 Strafanzeigen von privaten Vertriebshändlern gegen die Stiftung bei der zuständigen Steuerfahndung. Ohne Wissen der Stiftung prüfte die Steuerfahndung jede Anzeige und stellte die jeweiligen Verfahren nach Prüfung ein. Die Begründung: Die Anzeigen seien alle unbegründet, die Vorgehensweise der Björn Steiger Stiftung in der Frage des Steuersatzes sei völlig korrekt.

Am 13.05.2005 wurde die Björn Steiger Stiftung vom Landesfinanzministerium Baden-Württemberg informiert, dass das Bundesfinanzministerium eine Aufforderung erteilte, den Zweckbetrieb aufzulösen und den Mehrwertsteuersatz auf den regulären Satz anzuheben. Gleichzeitig wurde die Stiftung dazu aufgefordert, für die Jahre 2001 bis 2004 die Differenz zwischen dem ermäßigten und dem vollen Steuersatz von 16 Prozent nachträglich an das Finanzamt abzuführen.  Zusätzlich verlangte das Bundesfinanzministerium, dass diese Nachzahlung inklusive aller Versäumniszuschläge von 1,6 Millionen Euro aus einem Gewerbebetrieb der Stiftung erfolgen müsse. Andernfalls würde die Björn Steiger Stiftung ihre Gemeinnützigkeit im Ganzen verlieren. Diese Situation war existenzbedrohend für die Stiftung, da sie als gemeinnützige Organisation gar keinen gewerblichen Teil hatte und die Forderung auf diese Weise nie hätte begleichen können.

Die Stiftung sah sich allerdings durch die bereits dokumentierten Betriebsprüfungen, durch das Gutachten des Finanzamts Waiblingen sowie durch die schriftliche Anweisung des Finanzamts zum steuerlich privilegierten Zweckbetrieb im Recht. Auf Grund der Kürze der Zeit für den Steuerausgleich erteilte der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Günther Oettinger, am 10.06.2005 der Stiftung eine schriftliche Vertrauensschutzerklärung. Diese Erklärung besagte, dass die Björn Steiger Stiftung von den Nachzahlungen befreit sei. Sie könne auf die bereits rechtskräftig erteilten Steuerbescheide der Jahre 2001 bis 2004 vertrauen. Ab 01.01.2006 solle dann auf den vollen Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent umgestellt werden.

Im Dezember 2005 gab das Bundesfinanzministerium öffentlich bekannt, dass die Gemeinnützigkeit der Stiftung gefährdet wäre. Es drohe der rückwirkende Entzug. Aufgrund dieser Meldung brachen im Januar 2006 die seit 1970 von Gerichten an die Stiftung zugeteilten Geldauflagen und Zuweisungen, die verurteilte Personen an gemeinnützige Organisationen bezahlen müssen, um dramatische 95 Prozent ein. Somit brach ein bedeutender Finanzierungszweig der Björn Steiger Stiftung schlagartig weg. Zugesagte Firmengroßspenden wurden ebenfalls wegen des drohenden Entzugs der Gemeinnützigkeit wieder zurückgenommen. Im Februar 2006 teilte das Bundesfinanzministerium mit, dass der Vertrauensschutz des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Oettinger nicht anerkannt werde. Die Forderung an die Björn Steiger Stiftung betrage jetzt bereits 3,6 Millionen Euro. Darüber hinaus wurde für das Betriebsjahr 2005 eine weitere außerordentliche Betriebsprüfung angeordnet, die bereits in wenigen Tagen zu erfolgen habe. Im Prüfbericht kamen dieselben Prüfer aus den vergangenen Jahren für das Jahr 2005 zu einem anderen Ergebnis: Sie stellten fest, dass die Stiftung zu Unrecht mit einem Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent abgerechnet habe. Allerdings vermerkten die Prüfer auf der letzten Seite ihres Prüfberichts, dass dieses Prüfungsergebnis auf Anweisung erfolge.  Daraufhin reichte die Björn Steiger Stiftung im Mai 2006 Klage beim Finanzgericht wegen unberechtigter Forderungen ein.

Von der Einreichung der Klage bis zum ersten Erörterungstermin vor Gericht dauerte es bis zum 16.06.2008. Das Gericht stellte bereits beim Erörterungstermin fest, dass die Forderung des Bundesfinanzministeriums mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht haltbar sei. Die Björn Steiger Stiftung habe sehr große Chance, den Prozess zu gewinnen. Das Gericht gab darüber hinaus zu bedenken, dass sich das Verfahren wahrscheinlich bis ins Jahr 2018 ziehen werde, wenn das Ministerium bis zur letzten Instanz gehen wolle, was das Ministerium bekräftigte.

So lange schwebe der Verdacht des Entzugs der Gemeinnützigkeit für die Stiftung im Raum – zusätzlich zu stetig steigenden Prozesskosten. Das Gericht regte einen Vergleich an. Das Konzept: Die Stiftung ziehe die Klage gegen das Bundesfinanzministerium zurück und berechne, wie seit 01.01.2006 erfolgt, den vollen Mehrwertsteuersatz beim Verkauf der AED-Geräte. Im Gegenzug verzichte das Ministerium auf jegliche Steuernachzahlungen, die inzwischen von ihm inklusive aller Versäumniszuschläge und Verfahrenskosten  auf 7,8 Millionen Euro taxiert wurden. Darüber hinaus erkenne es die Betriebsprüfungen der Björn Steiger Stiftung der Vorjahre an und stelle die Gemeinnützigkeit der Stiftung nicht mehr infrage.

Am 05.12.2006 stimmte das Bundesfinanzministerium diesem Vergleich zu. Das Verfahren fand damit zu einem Ende. Aufgrund dieses Vergleichs ist der Björn Steiger Stiftung jeglicher Weg auf Schadensersatzforderungen gegen das Bundesfinanzministeriums wegen seines ruf- und existenzgefährdenden Verhaltens verbaut. Der Verzicht auf eine Schadensersatzklage war als Resultat dem Gedanken geschuldet, dass noch größerer Schaden für die Björn Steiger Stiftung beim weiteren Prozessieren – voraussichtlich noch zehn Jahre lang – hätte entstehen können. Dieses Risiko erschien als unkalkulierbar – und daher zu hoch.

Schaden für die Stiftung:

Das sich fast vier Jahre hinziehende Prozessieren hatte zur Folge, dass der Verkauf der AED-Geräte in den Jahren 2006 bis 2008 von ehemals 4.000 Geräten auf nun 300 Geräte im Jahr einbrach. Die Anzahl der Menschen, die durch die Stiftung in der Handhabung der AED-Geräte sowie der Herz-Lungen-Wiederbelebung geschult wurden, ging in gleicher Form nach unten. Der finanzielle Schaden des Steuerstreits wurde von den Steuerberatern Anfang Dezember 2008 auf rund 16 Millionen Euro berechnet. Verursacht wurde er unter anderem durch einen Rückgang der Geldzuweisungen durch Gerichte, durch einen Rückgang der Spenden sowie durch entstandene Verfahrenskosten.

Die Björn Steiger Stiftung zeigt sich entsetzt, welch Schaden der Staat einer gemeinnützigen Organisation unverschuldet aufbürdet, nachdem diese sich jederzeit im Recht fühlen durfte. Die Stiftung hätte dieses Verfahren gerne vor Gericht zu Ende gebracht. Allerdings hätte die Dauer des Verfahrens möglicherweise das finanzielle Ende der Stiftung bedeutet – wenn sie auch zum Verfahrensabschluss in jedem Punkt von den Richtern Recht bekommen hätte. Es ist bestürzend, dass solch eine Entwicklung in einem Rechtsstaat möglich ist.

Die Stiftung ist gewillt, an ihrer Aktion „Kampf dem Herztod“ unbeirrt festzuhalten – trotz der schweren finanziellen und imageschädigenden Belastungen der vergangenen Jahre. Die Björn Steiger Stiftung hält ihren eingeschlagenen Weg für notwendig und sogar alternativlos. Denn nur so kann ein Beitrag dazu geleistet werden, dass dem Herztod effektiv der Kampf angesagt wird und so viele Menschen wie möglich überleben.

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