Das Buch „Tot oder lebendig – das skandalöse Geschäft mit dem Notruf“ legt den Finger in offene Wunden

19. September 2019

Schonungslos und schockierend: Das Buch „Tot oder lebendig – das skandalöse Geschäft mit dem Notruf“ der beiden Journalisten Lars Winkelsdorf und Thomas Eckert analysiert auf bestechende Art und Weise den Zustand des deutschen Rettungswesens. Darauf weist die Björn Steiger Stiftung am 20. September 2019, genau 46 Jahre nach Einführung der bundesweiten und kostenlosen Notrufnummern 112/110, hin. „Die Autoren legen den Finger in offene Wunden und zeigen, dass der Rettungsdienst in Deutschland an seine Grenzen gekommen ist“, sagt Pierre-Enric Steiger, Präsident der Björn Steiger Stiftung. „Das Buch ist ein Weckruf an die Politik, dass sich grundlegend etwas ändern muss. So kann es in einem Bereich, in dem Menschenleben auf dem Spiel stehen, nicht weitergehen“, so Steiger weiter. „Wir fordern seit langem Verbesserungen im Rettungswesen und arbeiten konstruktiv mit an einer Verbesserung der Situation.“

Im Buch beschreiben die beiden Autoren detailliert die vorliegenden Missstände. Die Rede ist von fehlenden bundesweiten Qualitätsstandards, von daraus resultierender völlig unterschiedlicher Versorgungsqualität des Notfallpatienten, von Personalmangel und fehlender oder unzureichender Ausrüstung, die den Rettern zur Verfügung steht. „In Deutschland existieren [...] zahllose unterschiedliche Rettungssysteme“, konstatieren die Journalisten. „Wir haben es mit einer regelrechten Streusandbüchse der Lebensrettung zu tun, während wir gleichzeitig in einem Land leben, in dem es einheitliche Vorschriften für die Ausgestaltung dörflicher Schützenvereine gibt.“ Weiterhin heißt es, man habe in der Bundesrepublik „16 Bundesländer mit unterschiedlichen Regelungen, die ihrerseits diese Regelungen den jeweiligen Landkreisen und Gemeinden aufoktroyieren, die Umsetzung und Ausgestaltung aber gleichzeitig diesen selbst überlassen. Es entstand eine absurde Verteilung im deutschlandweiten Rettungssystem, die in der Realität dazu führen kann, dass die beste Erste Hilfe darin besteht, einen Patienten 100 Meter weiter in einen anderen Landkreis oder ein anderes Bundesland zu schleifen, weil ihm dort besser geholfen werden kann.“

Dieses düstere Bild der Lage entspricht nach Einschätzung der Björn Steiger Stiftung der Realität. Ebenfalls thematisiert wird im Buch das öffentliche Versäumnis, Deutschland hinreichend mit Laien-Defibrillatoren (AED = Automatisierter Externer Defibrillator) auszustatten. So würde Ersthelfern die Chance gegeben, Betroffenen im Falle eines Herzstillstands effektiv zu helfen, bis der Rettungsdienst eintrifft. „Meist sind es Spenden von Bürgern, durch die den Feuerwehren solches Material zur Verfügung gestellt wird, die dann in der Regionalpresse entsprechend gewürdigt werden“, schreiben die Journalisten. „Dass dies jedoch eine zentrale Aufgabe der Innenministerien und der Gesundheitsbehörden darstellt, weil es letztlich staatliche Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge ist, wird schlicht übersehen.“

„Wir unterstützen die Autoren in ihrem Bestreben, sich für eine bessere Versorgung von Notfallpatienten starkzumachen“, sagt Stiftungspräsident Steiger. Es sei auch Aufgabe der Björn Steiger Stiftung, journalistisches Engagement für eine sichtbarere und bessere Notfallhilfe öffentlich hervorzuheben. In diesem Jahr, ihrem 50. Bestehensjahr, hatte die Stiftung daher auch zum ersten Mal einen Journalistenpreis für journalistische Beiträge in diese Richtung vergeben. Der Preis wurde auf dem von der Stiftung in Berlin organisierten Fachkongress „Wege zum Rettungsdienst der Zukunft“ verliehen und ging an die Kieler Nachrichten. Der Südwestrundfunk (SWR) erhielt einen Sonderpreis für ein Rechercheprojekt, das ebenfalls große Defizite in der Versorgung von Notfallpatienten sichtbar machte.

Der Fachkongress in Berlin beschäftigte sich ausführlich mit jenen fehlenden bundesweiten Qualitätsstandards und mit den anderen Herausforderungen, denen sich der Rettungsdienst in Deutschland gegenübersieht. Herausgearbeitete Kongressforderungen waren u. a. die nach gesetzlich einheitlichen Grundlagen, einheitlichen Aus- und Fortbildungsrichtlinien, einer einheitlichen Patientenversorgung, einer einheitlichen Datenerfassung und -auswertung sowie nach einheitlich strukturierten Notrufabfragen. „Dass wir und die Autoren des Buches unabhängig voneinander zu den gleichen Ergebnissen hinsichtlich des Zustands des deutschen Rettungswesens gekommen sind, wiegt schwer“, sagt Steiger. Dies unterstreiche den dringenden Handlungsbedarf noch einmal deutlich.

Der Rettungsdienst ist seit ihrer Gründung ein zentrales Thema für die Björn Steiger Stiftung. So war sie vor 46 Jahren, am 20. September 1973, für die bundesweite und flächendeckende Einführung der Notrufnummern 110/112 verantwortlich. Die Stiftungsgründer Ute und Siegfried Steiger hatten sich jahrelang hierfür eingesetzt und schließlich, nach intensiven Bemühungen, im Juli 1973 das Land Baden-Württemberg und die Bundesrepublik Deutschland auf Einführung der Notrufnummern verklagt. Der Prozess ging verloren, der Druck der Medien und der Öffentlichkeit war inzwischen aber sehr groß geworden. Daher beschlossen Bund und Länder am 20. September 1973, die Notrufnummern bundesweit flächendeckend und kostenlos einzuführen.

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